Für die meisten von uns ist der Unterschied zwischen den drei Orang-Utan-Arten kaum zu erkennen. Neben ihren unterschiedlichen morphologischen und genetischen Merkmalen haben die drei Arten viele gleiche, aber auch einige bemerkenswert verschiedene Verhaltensweisen entwickelt.
Vorkommen, Lebensraum und Lebenserwartung
Borneo Orang-Utan (Pongo pygmaeus) | Tapanuli Orang-Utan (Pongo tapanuliensis) | Sumatra Orang-Utan (Pongo abelii) |
100’000 Individuen | < 800 Individuen | 13’710 Individuen |
Dipterokarpen- und Torfsumpfwälder, Borneo | Batang Toru Ökosystem, Sumatra | Tropisches Tiefland und Torfsumpfwälder im Leuser Ökosystem, Sumatra |
Alle drei Orang-Utan-Arten sind vom Aussterben bedroht, hauptsächlich durch den Verlust und die Fragmentierung ihres Lebensraumes sowie durch illegalen Wildtierhandel und Jagd. Die Lebenserwartung von Orang-Utans beträgt zwischen 44 und 55 Jahren, in Zoos auch länger. Sie sind generell Einzelgänger, verbinden sich aber gelegentlich und vorübergehend mit Artgenossen. Der «home range», innerhalb dessen die individuellen Tiere aktiv sind, ist bei den männlichen Orang-Utans riesig und umfasst jenen mehrerer Weibchen.

Investieren in den Nachwuchs
Die Weibchen sind mit 12 bis 15 Jahren ausgewachsen. Alle 6 bis 9 Jahre paaren sie sich mit einem attraktiven Männchen und gebären nach einer Tragzeit von 8 bis 9 Monaten meist nur ein Junges, mit dem sie so lange zusammenbleiben, bis es durch Beobachtung und Nachahmung von der Mutter alles Notwendige gelernt hat, um selbständig im Regenwald zu überleben. Die Männchen sind an der Aufzucht nicht beteiligt.

Rufen, Kussgeräusche und andere Laute
Nur dominante Männchen, die bereits Backenwülste entwickelt haben, kommunizieren über lange Distanzen mit «Long calls», um untergeordnete Männchen zu vertreiben und Weibchen für die Paarung anzulocken. «Kiss-squieks» hingegen sind ein Ausdruck von Angst oder Stress, die sie bei der Begegnung mit Forschenden, Nebelpardern oder Artgenossen ausgestossen. Mütter kommunizieren mit ihrem Jungtier mit kratzigen Kehllauten und von den Jungtieren selbst hört man beim Spielen ein «ooh». Sind die Kleinen in einer verzweifelten Situation, wandeln sich die leisen Laute in herzzerreissende Schreilaute. Beim Nestbau wird gerne laut geschnalzt.
Jedem sein Nest
Der Nestbau zählt zu den Spezialitäten der Orang-Utans. Jeden Abend und oft auch für das Mittagsnickerchen wird ein stabiles und bequemes Nest aus Blättern und jungen Ästen gebaut. Es dauert mehrere Jahre, bis die Jungtiere diese Kunst beherrschen, die für ihr Überleben notwendig ist. Sie wird von früh auf gelernt und geübt und ist ein wichtiges Kriterium bei der Beurteilung, ob ein Orang-Utan in unserer Obhut ausgewildert werden kann.

Leibspeise Früchte
Tagsüber sind Orang-Utans stets unterwegs auf der Suche nach Nahrung. Am liebsten mögen sie reife Früchte, aber auch Blätter, Rinde und Termiten gehören auf den Speiseplan. Letztere stochern sie mit Stöckchen aus dem Bau oder benützen die Stöckchen, um nach Honig zu fischen oder eine Frucht zu öffnen. Wenn sich die Gelegenheit ergibt, fressen Orang-Utans auch mal etwas Fleisch, sie gehen aber nicht auf die Jagd.

Unterschiede zwischen Sumatra- und Borneo-Orang-Utans
Alle Orang-Utans schwingen sich mit ihren langen Armen von Baum zu Baum. Die männlichen Orang-Utans auf Borneo sind aber auch am Boden unterwegs und benützen dabei ihre Arme und Beine zum Laufen. In Torfsumpfgebieten werden sie sogar beim Baden in grösseren Pfützen beobachtet. Die Sumatra-Orang-Utans hingegen meiden in der Regeln jeglichen Bodenkontakt. Sie sind eher wasserscheu und überqueren keinen Fluss, wenn sie eine Möglichkeit finden, über Baumbrücken oder umgefallene Bäume zur anderen Seite zu gelangen. Deshalb bildet in unserer Auswilderungsstation in Jantho der Fluss eine natürliche Grenze und verhindert, dass die Tiere, die wir freilassen, in der falschen Richtung ihre Freiheit suchen.