Am 27. November 2024 um 1:00 Uhr morgens zerstörten mehrere schwere Erdrutsche Teile unserer Orang-Utan-Auffang- und Pflegestation in Nordsumatra. Sie wurden durch heftige Regenfälle ausgelöst und verursachten erhebliche Schäden an der wichtigsten Infrastruktur wie der Tierklinik und mehreren Orang-Utan- Gehegen. Ein Grossteil des Geländes war mit Schlamm bedeckt. Dr. Citrakasih Nente, Leiterin des Auswilderungsprogramms, blickt auf die ersten Stunden und Wochen zurück und beschreibt, wie sich die Situation in der Rettungsstation langsam wieder normalisiert:


Die Klinik vor und nach den Erdrutschen.
«Jetzt haben wir die Situation in der Auffang- und Pflegestation unter Kontrolle und was die Tiere betrifft, haben wir wieder einen einigermassen normalen Tagesablauf. Die ersten drei Wochen nach dem Erdrutsch waren jedoch unglaublich anstrengend und es herrschte ein riesiges Chaos. Das Engagement des gesamten Teams war riesig: In der Nacht des Erdrutsches überprüften die beiden Tierpfleger der Nachtschicht und ein Sicherheitsmitarbeiter sofort die Situation und stellten fest, dass der Schaden enorm war und sie Hilfe benötigten. Sie machten sich schnell auf den Weg ins Dorf, um Hilfe zu holen und alle Orang-Utans und die Einrichtungen zu überprüfen. Sie zählten die Orang-Utans und ermittelten, wo sich die vermissten Tiere aufhielten. Glücklicherweise hatten die meisten Tiere in den umliegenden Bäumen Zuflucht gesucht. Nach und nach kam das gesamte Team der Tierpfleger und Veterinärinnen dazu, um vor Ort zu helfen. Wir arbeiteten Tag und Nacht, trotz heftiger Regenfälle, bis alle Tiere wieder in Sicherheit waren. Die Dorfbewohner halfen uns, indem sie Lebensmittel, Decken und Vorräte zum Zentrum trugen, weil die Zufahrt wegen der Schlammmassen mit Fahrzeugen unpassierbar war.


Gleich am ersten Morgen nach dem Unglück, dem 27. November, teilten wir das Team in vier Gruppen auf: Unter der Leitung von Dr. Yenni kümmerten sich sechs Tierpflegerinnen und -pfleger um die Orang-Utans, um sicherzustellen, dass es ihnen gut geht. Dieses Team überwachte und evakuierte auch Orang-Utans, die aus ihren Käfigen entkommen waren. Das zweite Team, das von unserem Stationsmanager Arista angeleitet wurde, bildete das Logistikteam, das sich auf die Räumung der Zufahrtsstrasse zum Zentrum konzentrierte. Das Wartungsteam, das ich selber koordinierte, bestand aus vier Mitarbeitern und kümmerte sich um die Absicherung und Reparatur der Strom- und Wasserversorgung, die komplett ausgefallen war sowie um die Sicherung der Zugänge innerhalb des Zentrums, damit wir zu den Gehegen gelangen konnten. In Medan war zudem ein Backup-Team stationiert, das alles nötige, wie beispielsweise Medikamente, Gummistiefel, Regenjacken und andere Arbeitsausrüstung für die anderen drei Teams besorgte. Morgens und nachmittags hielten wir eine Einsatzbesprechung und eine Auswertung ab, um den Fortschritt und die Herausforderungen jedes Teams zu besprechen und den nächsten Tag zu planen. Nach drei Wochen kamen auch unsere Feldteams aus Jantho und Batang Toru dazu, um bei den Aufräumarbeiten zu helfen und den Helfenden der ersten Wochen eine Pause zu gönnen.

Es gelang Dank der Mithilfe und guten Zusammenarbeit aller Bereiche (Behörden, Dorfbewohnerinnen und -bewohner, Feldteam, Büroteam und Stationsmitarbeitende), die schwierige Situation zu bewältigen. Dabei zeigte sich, dass die während der Covid-Pandemie gesammelten Erfahrungen von unschätzbarem Wert waren: Innerhalb kürzester Zeit wuchsen wir zu einem eingespielten Team zusammen. Besonders beeindruckte mich, mit welcher Entschlossenheit und Tatkraft alle anpackten. Nun blicken wir optimistisch in die Zukunft: Wir werden unsere Orang-Utan-Auffang- und Pflegestation kurzfristig und provisorisch am gleichen Standort wieder aufbauen. Langfristig werden wir mit der Station in ein bisher unbenutzten Bereich des Orangutan Haven ziehen. Der vollständige Neuaufbau der Station bietet neben diversen Herausforderungen auch neue Chancen.
Es hat uns unglaublich viel Mut gegeben, in so kurzer Zeit so viel Unterstützung zu erhalten: von der Regierung, den Institutionen, Partnerorganisationen und den unzähligen Spenden von Privatpersonen.»
