Der Lokführer reagierte geistesgegenwärtig: Er meldete die Kollision sofort der Leitstelle, worauf eine Patrouille der Bahnpolizei zur Unfallstelle geschickt wurde. Die Einsatzkräfte fanden den Uhu schwer verletzt, aber noch lebend. Er war flugunfähig und blutete am Kopf. Die Beamten bargen ihn vom Gleis und übergaben ihn dem zuständigen Wildhüter, der das Tier umgehend ins Tierheim SPAB in Gorduno brachte. Dort wurde der Uhu vom Nachtdienst erstversorgt.

Der lokale Tierarzt, der auf dem Röntgenbild einen Bruch der Elle feststellte, überwies den Uhu ins Tierspital Zürich. Dort erfolgte eine weitere gründliche Untersuchung, bei der sämtliche Behandlungsmöglichkeiten sorgfältig abgewogen wurden. Die einzige sinnvolle Massnahme: drei Wochen absolute Ruhe. Genau auf solche Fälle ist unsere Greifvogelstation spezialisiert. Als Partnerinstitution der VetClinic Zürich durften wir den Patienten übernehmen.

Es folgten drei Wochen intensiver Pflege. Erst als wir uns sicher waren, dass der Uhu vollständig genesen war, konnte er der Tierrettung SPA Bellinzona zur Freilassung übergeben werden. Da Uhus im Tessin nur sehr selten anzutreffen sind und verletzte Tiere fast nie gefunden werden, sorgte der Fall für eine kleine Sensation. Zunächst bei den freiwilligen des Tierheims, später auch in den Medien, die die Freilassung im abgelegenen Vedeggiotal aufmerksam begleiteten. Ein grosser Applaus gilt dem Lokführer, den Bahnpolizisten und dem Wildhüter für ihre Professionalität und ihr schnelles Handeln. Dank ihres Einsatzes kann Silvestro, wie die Freiwilligen der SPAB den Uhu nannten, nun wieder durch den Himmel des Vedeggiotals gleiten.

