Windenergie und (Greif)vögel

-
In der Debatte über Windenergie werden häufig die schädlichen Auswirkungen von Windkraftanlagen auf Vögel, insbesondere Greifvögel, hervorgehoben. Was ist an diesen Befürchtungen dran und können Windkraftanlagen und Greifvögel koexistieren? – Eine Einordnung

Windenergie und (Greif)vögel

-
In der Debatte über Windenergie werden häufig die schädlichen Auswirkungen von Windkraftanlagen auf Vögel, insbesondere Greifvögel, hervorgehoben. Was ist an diesen Befürchtungen dran und können Windkraftanlagen und Greifvögel koexistieren? – Eine Einordnung

Die Klimakrise stellt heute die grösste Bedrohung für Vögel dar. So sind drei Viertel aller in Europa brütenden Vogelarten durch die klimatischen Veränderungen bedroht . Diese Tatsache macht die Energiewende hin zu nachhaltigen Energieträgern zur politischen Priorität, auch aus Vogelschutzperspektive. Dabei spielt Windenergie neben Wasser- und Sonnenenergie eine zentrale Rolle. In der Debatte über Windenergie werden jedoch häufig die schädlichen Auswirkungen von Windkraftanlagen auf Vögel, insbesondere Greifvögel, hervorgehoben. 

Die Auswirkungen von Windrädern auf Vögel können vielfältig sein. Studien haben gezeigt, dass es zu Kollisionen mit den Rotoren oder Änderungen im Brut und Zugverhalten kommen kann. Die Vogelwarte Sempach definiert 46 Brutvogelarten der Schweiz und zwei weitere Gastvogelarten als windkraftsensibel, davon sind 18 Arten Greifvögel inkl. Eulen und Geier .

Studien haben allerdings gezeigt, dass unter Berücksichtigung bestimmter Faktoren die negativen Auswirkungen drastisch reduziert werden können. Am wichtigsten ist dabei die Standortwahl, gefolgt von technologischer Ausstattung. Windkraftanlagen sollten nicht auf den grossen Vogelzugrouten gebaut werden, so können die meisten Kollisionen bereits vermieden werden. Mit verschiedenen technologischen Mitteln können Kollisionen zusätzlich stark reduziert werden.

Standortwahl

Der wichtigste Faktor, um Kollisionsopfer und Brutrückgänge zu minimieren, ist die Standortwahl für Windparks. Bereits 2006 kam eine Studie des Naturschutzbundes Deutschland NABU zum Schluss, dass negative Auswirkungen von Windkraftanlagen auf Vögel sehr stark vom Standort abhängen. Zwei Studien aus 2022 vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie und von der University of East Anglia liefern entscheidende Ergebnisse für eine schonende Standortwahl von Windparks. Mithilfe von detaillierten GPS-Daten haben sie die wichtigsten Vogelzugrouten Europas und Kollisions-Hotspots definiert. Dazu gehören die westliche Mittelmeerküste Frankreichs, Südspanien und die marokkanische Küste sowie die Meerenge von Gibraltar, Ostrumänien, die Sinai-Halbinsel und die deutsche Ostseeküste. Ausserdem liefern die Daten Aufschluss darüber, wie Vögel auf Windparks reagieren. Schwarzmilane weichen Windrädern beispielsweise in etwa einem Kilometer Entfernung aus. Eine Studie aus 2019 hat zudem aufschlussreiche Ergebnisse geliefert, wie Windräder das Brutverhalten von Vögeln beeinflussen und unter welchen Umständen keine Verhaltensänderung mehr festzustellen ist.
All diese Daten sind entscheidend dafür, dass Windräder so schonend und rücksichtsvoll wie möglich gebaut werden können und müssen deshalb bei der Planung dringend berücksichtigt werden.

Technologische Fortschritte

Um das Kollisionsrisiko von fliegenden Tieren weiter zu reduzieren, werden verschiedene technologische Lösungen entwickelt. Das Bundesamt für Energie hat 2017 zusammen mit der Vogelwarte Sempach und SWILD die Effektivität zweier Systeme für Vogel- und Fledermausschutz an der Calandawind-Turbine in Graubünden untersucht und festgestellt, dass die Systeme den Erwartungen entsprechend funktionieren und so das Kollisionsrisiko erheblich reduzieren. Die Systeme registrieren Vögel und senden bei einem Kollisionsrisiko ein akustisches Warnsignal aus, was in den meisten Fällen bereits ausreichte, um eine Kollision zu verhindern. Nähern sich Vögel oder Fledermäuse weiter der Turbine, wird diese automatisch abgeschaltet.

Die Technologien werden ständig weiterentwickelt. Gewisse Windparks werden frühzeitig vor Vogelschwärmen gewarnt und ebenfalls vorübergehend ausgeschaltet. Diese Massnahmen können zwar erhebliche Einbussen in der Energieproduktion bedeuten, sind aber entscheidend dafür, dass Tiere und Windkraftanlagen koexistieren können.

Verhältnismässigkeit

In der Greifvogelstation Berg am Irchel setzen wir uns für alle verletzten Greifvögel und Eulen ein. Durch unsere Arbeit wollen wir Populationen stärken, die durch menschliche Aktivitäten und Infrastruktur geschwächt sind. Daher vertreten wir klar die Meinung, dass jeder Greifvogel, der durch menschliches Verschulden stirbt, einer zu viel ist. Das gilt auch für die Kollisionsopfer von Windkraftanlagen, die nie zu 100 % ausgeschlossen werden können.

Verglichen mit anderen durch Menschen verursachten Todesursachen spielt Windenergie jedoch eine nebensächliche Rolle. Der Bundesrat schätzt, dass in der Schweiz jedes Jahr 36 Millionen Vögel durch menschliche Aktivitäten getötet werden. Davon machen Hauskatzen mit 30 Millionen mit Abstand den grössten Anteil aus, gefolgt von Glasfassaden mit fünf Millionen und Verkehr mit einer Million toter Vögel pro Jahr. Die Vogelwarte Sempach geht von etwa 400 toten Vögeln pro Jahr aufgrund von Kollisionen mit Windkraftanlagen aus.

Jährlich werden 30 Millionen Vögel durch menschliche Aktivitäten getötet. Windenergie macht mit etwa 400 Opfern pro Jahr 0.001 % dieser Todesfälle aus.

Windenergie hingegen verhindert indirekt, dass unzählige Vogelpopulationen weiter geschwächt werden und potenziell aussterben, da sie eine wichtige Rolle beim Umstieg auf nachhaltige Energieträger und somit in der Bekämpfung der Klimakrise spielt. Dadurch übersteigen die langfristigen positiven Auswirkungen von Windenergie die kurzfristigen negativen Auswirkungen deutlich. Die Errichtung neuer Windparks, basierend auf sorgfältigen und konsequenten Umweltverträglichkeitsprüfungen, macht also Sinn, besonders auch aus Vogelschutzperspektive.

Quellen

Aschwanden, J., & Liechtig, F. (2016). Vogelzugintensität und Anzahl Kollisionsopfer an Windenergieanlagen am Standort Le Peuchapatte (JU). Bundesamt für Energie BFE.

Gauld, J. G., Silva, J. P., Atkinson, P. W., Record, P., Acácio, M., Arkumarev, V., Blas, J., Bouten, W., Burton, N., Catry, I., Champagnon, J., Clewley, G. D., Dagys, M., Duriez, O., Exo, K.-M., Fiedler, W., Flack, A., Friedemann, G., Fritz, J., … Franco, A. M. A. (2022). Hotspots in the grid: Avian sensitivity and vulnerability to collision risk from energy infrastructure interactions in Europe and North Africa. Journal of Applied Ecology, 59(6), 1496–1512. https://doi.org/10.1111/1365-2664.14160

Gregory, R. D., Willis, S. G., Jiguet, F., Voříšek, P., Klvaňová, A., van Strien, A., Huntley, B., Collingham, Y. C., Couvet, D., & Green, R. E. (2009). An Indicator of the Impact of Climatic Change on European Bird Populations. PLOS ONE, 4(3), e4678. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0004678

Hanagasioglu, M., Aschwanden, J., Bontadina, F., & de la Puente Nilsson, M. (2015). Investigation of the effectiveness of bat and bird detection of the DTBat and DTBird systems at Calandawind turbine. Bundesamt für Energie BFE.

Hötker, H. (2006). Auswirkungen des «Repowering» von Windkraftanlagen auf Vögel und Fledermäuse. Michael-Otto-Institut im NABU – Forschungs- und Bildungszentrum für Feuchtgebiete und Vogelschutz.

Marques, A. T., Santos, C. D., Hanssen, F., Muñoz, A.-R., Onrubia, A., Wikelski, M., Moreira, F., Palmeirim, J. M., & Silva, J. P. (2020). Wind turbines cause functional habitat loss for migratory soaring birds. Journal of Animal Ecology, 89(1), 93–103. https://doi.org/10.1111/1365-2656.12961

Miao, R., Ghosh, P. N., Khanna, M., Wang, W., & Rong, J. (2019). Effect of wind turbines on bird abundance: A national scale analysis based on fixed effects models. Energy Policy, 132, 357–366. https://doi.org/10.1016/j.enpol.2019.04.040

Werner, S., Aschwanden, J., Heynen, D., & Schmid, H. (2019). Vögel und Windkraft: Untersuchung und Bewertung von UVP-pflichtigen Windkraftprojekten. Empfehlungen der Schweizerischen Vogelwarte. Schweizerische Vogelwarte.

Windkraftanlagen als Vogelkiller? Und was ist mit der Infrastruktur und den Hauskatzen? Hearing auf Nationalrat (2021). https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20218110

Meine Spende für Umweltbildung, Artenschutz und bedrohte Lebensräume
Freibetrag CHF
Nach oben scrollen