Rehabilitierung und Wiederansiedlung
Der stetige Verlust des Lebensraumes der Orang-Utans durch Abholzung und Fragmentierung des Regenwaldes führt dazu, dass die Tiere in zu kleinen Gebieten isoliert werden, wo sie zu wenig Nahrung finden. In der Folge gelangen sie in Plantagen und Gärten, wo sie notgedrungen in Konflikt mit den Menschen geraten. Viele Orang-Utans werden auch illegal als Haustier gehalten oder gelangen in den Wildtierhandel.
Seit 1998 haben wir zusammen mit unserer Schwesterstiftung YEL in unserer Auffang- und Pflegestation über 450 Orang-Utans aufgenommen, die uns von den Behörden übergeben wurden. Hier werden sie gesund gepflegt und wenn sie dazu bereit sind, werden sie in zwei Schutzgebieten wiederangesiedelt. Mit dieser Tätigkeit schaffen wir zwei neue, stabile Orang-Utan-Populationen in ihrem natürlichen Lebensraum.
Ziele
- Wiederansiedlung: Aufbau von zwei neuen, selbständig überlebensfähigen und stabilen Orang-Utan-Populationen
- Gesundheitliches Wohlergehen und ein neues Leben für beschlagnahmte, illegal gehaltene Orang-Utan-Haustiere
- Rettung, Rehabilitierung und Umsiedlung von Orang-Utans, deren Lebensraum durch Segmentierung zu klein zum Überleben ist oder die in Konflikt mit Menschen gerieten
Erfolge
- Freilassung von rund 350 Orang-Utans in zwei Schutzgebieten, davon 211 Orang-Utans in der Provinz Jambi und 134 Orang-Utans in der Region Jantho, Provinz Aceh.
- In beiden Schutzgebieten wurden insgesamt sieben Nachkommen gesichtet, was bedeutet, dass die neu geschaffenen Populationen wachsen und sich selbst erhalten.
- Die neu geschaffenen Populationen vergrössern das geografische Verbreitungsgebiet und mindern das Risiko, dass die Orang-Utans auf Sumatra aussterben.
- Alle 462 Orangutans, die seit 1999, der Gründung des Orang-Utan-Schutzprogramms, auf Sumatra von den Behörden konfisziert wurden, konnten in unserer Auffang- und Pflegestation aufgenommen, rehabilitiert und bei guter Gesundheit in Jambi ausgewildert werden.
Auffang- und Pflegestation
Orang-Utans sind in Indonesien durch das Gesetz geschützt. Es ist verboten, sie zu fangen, zu halten, mit ihnen Handel zu betreiben oder sie zu töten. Werden solche illegalen Machenschaften aufgedeckt oder verletzte Tiere aus einem Mensch-Wildtier-Konflikt gerettet, werden sie von den indonesischen Behörden konfisziert und unserem Team von spezialisierten Wildtier-Veterinär:innen und
-Pfleger:innen in der Auffang- und Pflegestation in Nordsumatra übergeben.
Beim Eintritt in unsere Auffang- und Pflegestation durchlaufen alle Neuankömmlinge eine dreimonatige Quarantänezeit. Sie erhalten einen allgemeinen Gesundheitscheck und die nötige medizinische Versorgung. Die fachgerechte Behandlung der meist traumatisierten Tiere ist eine zusätzliche Herausforderung für die Veterinär:innen.
In den Sozialisierungsgehegen werden die Orang-Utans in eine Gruppe gleichaltriger Tiere integriert und können sich dadurch von der Prägung durch uns Menschen lösen. Speziell ist jedoch die Aufnahme von Orang-Utans im Säuglingsalter. Sie brauchen rund um die Uhr eine Betreuung mit viel Körpernähe, damit sie sich gesund entwickeln können. Deshalb leben sie in der ersten Zeit in einem Baby-Haus.
Alle Orang-Utans dürfen regelmässig die bewaldeten Bereiche des Geländes erkunden und in den Bäumen klettern. Die Gruppen werden sorgfältig zusammengestellt, damit sie optimal voneinander lernen können. In diesen Klettergärten lernen sie alles notwendige für das spätere Leben im Regenwald. Die Tierpfleger:innen beobachten sie dabei permanent und registrieren genau, was sie tun.
Die Wildtier-Veterinär:innen können komplexe physische Probleme in der Klinik vor Ort behandeln. Für anspruchsvolle Operationen, z.B. an den Händen der Orang-Utans, werden auch Human-Mediziner:innen herbeigezogen. Oft behandelt werden Knochenbrüche, aber auch Schussverletzungen sind keine Seltenheit. Neben der medizinischen Versorgung bereitet der psychische Zustand der traumatisierten Orang-Utans grosse Sorgen und ihre Behandlung erfordert viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung.
In der Wildnis lernen Orang-Utans von ihrer Mutter alle Fähigkeiten, die sie für ihr Leben im Regenwald brauchen. Sie haben eine starke Bindung an sie und sind ihr auch körperlich sehr nahe. Deshalb werden die ganz Kleinen praktisch rund um die Uhr von den Pfleger:innen betreut. Besonderes Augenmerk liegt auf der Nahrung, die sorgfältig zusammengestellt, überprüft und stets angepasst werden muss. Die Nähe zu den Pfleger:innen darf in dieser Zeit nicht zu gross werden, damit sie später erfolgreich ausgewildert werden können.
Einige der Orang-Utans in der Auffang- und Pflegestation könnten aufgrund der Folgen ihrer Verletzungen im freien Regenwald nicht überleben. Diese Tiere bringen wir in den «Orangutan Haven», wo sie ein langfristiges und artgerechtes Zuhause erhalten. In diesem geschützten Wildtierpark, den wir in den vergangenen zehn Jahren zusammen mit unserer Schwesterstiftung YEL aufgebaut haben, leben sie auf individuellen, begrünten Inseln, wo sie auf ihre Bedürfnisse angepasste, naturnahe Klettermöglichkeiten vorfinden und optimal betreut werden können.
Bei Orang-Utans, die sehr Jung in die Auffang- und Pflegestation gebracht werden, sind die Vorbereitungen auf die Auswilderung aufwändig und langwierig. Essenziell sind vor allem die Fähigkeiten zu klettern, ein sicheres Nest für die Nacht zu bauen und geeignete Nahrung zu finden. Auch müssen sie wissen, welche Äste sie tragen und sie müssen sich im Regenwald zurechtfinden können. In der Regel sind diese Orang-Utans fünf bis sieben Jahre alt, wenn sie für die Auswilderung bereit sind.
Drh. Yenny Saraswati
Senior Veterinarian SOCP
Auswilderungsstation
Wenn eine Gruppe von zueinander passenden Orang-Utans bereit ist für die Auswilderung, wird sie in eine der beiden Auswilderungsstationen des Orang-Utan-Schutzprogramms gebracht: entweder in die Provinz Jambi an den Rand des Bukit Tigapuluh Nationalparks oder ganz in den Norden von Sumatra in das Jantho Pine Forest Nature Reserve in der Provinz Aceh. Das letzte Stück tief in den geschützten Wald hinein ist die Strasse in besonders schlechtem Zustand und kann nur mit Spezialfahrzeugen befahren werden. Der erschwerte Zugang ist absichtlich, damit sich keine unerwünschten Personen nähern.
In der Nähe der Auswilderungsstation, in einem geschützten Bereich, befinden sich die Auswilderungsgehege. Hier verfeinern sie ihre Fähigkeiten und gewöhnen sich an die lokal verfügbare Nahrung im Wald. Noch können sie jederzeit in ihr Gehege zurückkehren. Rund drei Monate lang wird ihr Verhalten hier beobachtet. Erst wenn alles stimmt, werden sie auf die andere Seite des Flusses gebracht, wo der Weg in den Regenwald frei ist.
Die Mitarbeitenden des Orang-Utan-Schutzprogramms beobachten täglich die Fortschritte der freigelassenen Orang-Utans. Vom Aufstehen bis zum Nestbau für die Nacht notieren sie alles, was die Tiere tun, was sie fressen und wohin sie ziehen. Oft dauert auch diese letzte Phase bis zu drei Monate. Nur bei Orang-Utans, die nicht lange in der Auffang- und Pflegestation verbracht haben, kommt es vor, dass sie sehr schnell so tief in den Wald verschwinden, dass man sie nicht mehr beobachten kann.
Dieses sogenannte Monitoring von frisch ausgewilderten Orang-Utans wird meistens von jungen Männern ausgeführt, die aus den umliegenden Dörfern am Waldrand stammen. Sie kennen den Wald und wissen, wie man sich darin bewegt. Sie werden speziell ausgebildet in der Aufnahme von Verhaltensdaten und in der Handhabung der GPS-Geräte, um jederzeit den Weg zurück ins Camp zu finden. Alle Daten werden im Camp digital erfasst und bilden die Grundlage für die Beantwortung vielfältiger Forschungsfragen.
Akmal Qurazi
Jantho Reintroduction Centre Manager SOCP
Umsiedlung
Das Team vom Orang-Utan-Schutzprogramm rettet und siedelt auch wild lebende Orang-Utans um, die in zu kleinen Gebieten isoliert wurden, zum Beispiel, weil weitere Palmölplantagen entstanden sind. Diese Orang-Utans sind in Gefahr, denn sie leiden Hunger und oft geraten sie in Konflikt mit den Menschen. Eine Umsiedlung ist ein drastischer Eingriff und immer der letzte Ausweg, da es sich in der Regel um eine schwierige, risikoreiche und stressige Operation für alle Beteiligten handelt. Leider werden solche Rettungsaktionen immer notwendiger.
Sind die geretteten Tiere gesund, werden sie in einen sicheren Lebensraum umgesiedelt, normalerweise in das Schutzgebiet in der Provinz Jantho. Kranke oder verletzte Tiere werden zunächst in unserer Auffang- und Pflegestation behandelt, bevor sie zu einem späteren Zeitpunkt freigelassen werden.
Partner
YEL ist unsere Schwesterstiftung auf Sumarta. YEL ist verantwortlich für die Umsetzung des SOCP vor Ort.
Das SOCP wird auf der Basis einer Vereinbarung (MoU) von unserer Schwesterstiftung YEL mit dem Indonesischen Amt für Naturschutz betrieben.